Donnerstag, 22. November 2007

Frankfurt: Moscheebau und ausländerfeindliche und antisemitische Hetzkampagne FR

Artikel in der Frankfurter Rundschau 22.11.2007 (Zitat):
Der Streit um eine neue Moschee im Stadtteil Hausen hat sich zu einer ausländerfeindlichen und antisemitischen Hetzkampagne ausgewachsen. Zielobjekt der "größten germanischen Online Gemeinschaft" im Internet ist unter dem Titel "Grüne Politikerin fordert Deutsche zum Verlassen ihrer Heimatstadt auf" die Grünen-Kommunalpolitikerin Nargess Eskandari-Grünberg.
Ganz dezidiert aber wird, unter Angabe aller persönlicher Kontaktdaten, auch ihr Mann, der jüdische Psychoanalytiker Kurt Grünberg, an den virtuellen Pranger gestellt. "Ihr Mann ist der Jude Kurt Grünberg" , steht zu lesen. Und: "Psychoanalytiker ist ein typischer Judenberuf."
"Der kraushaarige krummnasige Ehemann" wird in dem Internet-Forum mit einem Porträtfoto abgebildet, auf dem ihm eine Hakennase retuschiert worden ist. Auf weiteren Fotos, die allgemein zugänglichen Veröffentlichungen entnommen sind, ist Grünbergs Kopf rot eingekreist, förmlich als Zielscheibe markiert.
Hintergrund der Hetze, die sich im Internet auch gegen die Grünen allgemein richtet ("Zuchthaus oder Arbeitslager genügt") ist die heftige Debatte über den Bau einer neuen Moschee mit aufgebrachten Bürgern in der Sitzung des Römer-Ausschusses für Bildung und Integration am 5. November. Nach andauernder Polemik der Bürger zu der hohen Zahl von Migranten an hiesigen Schulen hatte die Grüne Migrantin Nargess Eskandari-Grünberg gesagt, der Anteil von 40 Prozent Migranten sei in der Stadt eine Tatsache und wem das nicht passe, der könne auch woanders wohnen.
Auf diese Aussage hin werde die Grüne, die vor 20 Jahren aus dem Iran geflohen ist, seit jenem Tag mit Hunderten von E-mails als "Schlampe" oder "Nutte" attackiert, man drohe ihr mit dem Tod und fordere sie auf, "zurück in dein Mullah-Land zu gehen, damit man dir da den Mund mit dem Kopftuch stopft." "Es ist ehrverletzend, lebensbedrohlich, entsetzlich" resümiert Kurt Grünberg. Er erkennt "eine tiefe Haltung: Frankfurt ist eine deutsche Stadt, auch wer 20 Jahre hier lebt, wird als Ausländer betrachtet".
Nur deshalb habe die Bemerkung seiner Frau im Ausschuss derartige Wellen geschlagen. Weder in den Berichten der Presse noch in den Stellungnahmen der Frankfurter Politiker sei aber später die volksverhetzende Stimmung in jener Sitzung ausreichend berücksichtigt worden. Kurt Grünberg sieht in der Entwicklung "ein Lehrstück: Da diskriminieren Menschen andere Menschen. Und wenn die sich wehren, stellt man sie als die Angreifer hin". Es würden dem Hass, der sich in der Auseinandersetzung um die Moschee offenbare, "im Römer nicht ausreichend Grenzen gezeigt". So spiele man den Neonazis in die Hände.
Es zeige sich "ein Zusammenhang zwischen den Klischees in der Mitte der Gesellschaft und den Aktivitäten der Neonazis". Nargess Eskandari-Grünberg wird in den Drohbotschaften unter anderem angekündigt, man werde sie "in Ihrem Garten steinigen". Die Familie hat die Polizei "auf unsere bedrohte Lage aufmerksam gemacht" und eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt.
Unterdessen ist auf Initiative des Stadtverordneten Uwe Paulsen (Grüne) eine Unterschriftenliste im Umlauf. In dieser Solidaritätserklärung, die nach Angaben des Initiators bereits rund 150 Unterschriften trägt, wird argumentiert, Nargess Eskandari-Grünberg habe mit ihrer Äußerung nur "einer aufgewiegelten Gruppe deutscher Bürger den Spiegel vorhalten" wollen. Es seien doch die Migranten, die sich seit Jahrzehnten mit Aufforderungen zur Auswanderung konfrontiert sähen. "Die fremdenfeindliche Kampagne, die auch eine antisemitische ,Qualität' erlangt" habe, sehen die Unterzeichner als "unerträglich" an. Jeder Demokrat sei aufgefordert, "Bestrebungen und politischen Kräften entgegenzutreten, die die Menschenwürde missachten".
Link zum Artikel:
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/dossiers/moschee_spezial/?em_cnt=1246850

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